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Arbeitsrecht: Bay LSG: Depressionen eines Priesters wegen Mobbings keine Berufskrankheit

Leitsatz

1. Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet, die der Versicherte auf Mobbing im Zusammenhang mit seiner versicherten beruflichen Tätigkeit zurückführt, stellen keine Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Liste der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (juris: BKV) dar, da Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ausdrücklich in der Berufskrankheiten-Liste genannt sind.

2. Die psychische Erkrankung des Versicherten infolge von Mobbing kann auch nicht wie eine Berufskrankheit (sog Wie-Berufskrankheit) anerkannt werden. 

a) Die Feststellung des Vorliegens einer Wie-Berufskrankheit setzt insbesondere voraus, dass bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. 

b) Im Fall von Mobbing am Arbeitsplatz lassen sich bestimmte Personengruppen, die diesen besonderen Einwirkungen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, nicht abgrenzen.

c) Neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft dahingehend, dass psychische Erkrankungen hervorgerufen durch Mobbing als Berufskrankheit anzuerkennen sind, liegen gegenwärtig weder vor, noch sind sie zu erwarten. 

d) Da § 9 Abs 2 SGB VII keine allgemeine Härteklausel beinhaltet, kommt es nicht darauf an, ob in einem konkreten Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer Erkrankung sind. 

In der Begründung fführ das LSG aus und zieht den Priester den Zahn:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ergeben sich für die Feststellung des Vorliegens einer Wie-Berufskrankheit die folgenden Tatbestandsmerkmale: (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, (3.) nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (§ 9 Abs. 2 SGB VII) sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-Berufskrankheit im Einzelfall bei dem Versicherten. Die Vorschrift enthält keine Härteklausel, nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen wäre (BSG, Urteil vom 13.2.2013 – B 2 U 33/11 R -, juris Rn. 17).Randnummer37

Die Voraussetzungen (2.) und (3.) sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen (BSG, Urteil vomRandnummer38

18.06.2013 – B 2 U 6/12 R -, juris Rn. 15 m.w.N.). Es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen (BSG, Urteil vom 20.7.2010 – B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 20). Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 20.7.2010 – B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 24 m.w.N.; vgl. ausführlich zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG, Urteil vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 und juris Rn. 13 ff. m.w.N.).Randnummer39

Da die Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel beinhaltet, ist zu betonen, dass es nach der gesetzlichen Regelung sowie der Rechtsprechung des BSG für die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nicht genügt, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der Berufskrankheitenliste bezeichneten Krankheit sind. Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der Berufskrankheiten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-Berufskrankheit in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.7.2010 – B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).

Es kommt also nicht auf die Einzelfallbetrachtung an und eine psychische Erkrankung z.B. durch Mobbing dürfte auch zukünftig keine Berufskrankheit werden.

Nachzulesen auf https://openjur.de/, Link

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Mai 2021 – L 3 U 11/20

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